5.Über geheimnisvolle Wesen
- prof-gueldendorf
- 9. Dez. 2021
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Juni 2023
Des Weihnachtshorrors fünfter Teil

Nun ist es wieder die Zeit mein Wort zu erheben.
Sollte man über mein langes Schweigen hinweg meinen Namen vergessen haben, stelle ich ihn in aller Kürze in den Raum. Ich bin Prof. Dr. Güldendorf.
So viel ist sicher. Zumindest vorerst.
Ich bin promovierter Dimensiologe und Altvölkerkundler und lehre in den verschiedensten Universitäten unterschiedlicher Welten. Doch das sei nur am Rande erwähnt.
Sollte ich ein tieferes Interesse an meiner Person geweckt haben (was ich durchaus verstehe, denn meine ausgezeichnete Expertise erstreckt sich weit über meinen Fachbereich hinaus und ich schaue zudem auf eine bewegte Geschichte zurück), kann ich den geneigten Leser anraten, auf meinem ersten und bisher einzigen Beitrag auf dieser Website nach Informationen zu suchen. Es findet sich unterhalb dieses Aufsatzes ein Verweis auf eben dieses Textstücks.
Aus besagtem Grund werde ich von einem, zugegebenermaßen eindrucksvollen Blick auf meine Vita absehen und sogleich auf die Bitte einer interessierten, aber von Verzweiflung geschüttelten Studentin eingehen, die mir ihr Unglück bezüglich einer Domain-Adresse kundtat, die von einem, wie sie es nannte, niedlichen Wesen widerrechtlich angeeignet und durch eine neue Adresse vertauscht wurde. Ich persönlich kann an dieser Adresse keinen Makel erkennen und sehe im Gegenteil, einen beachtlichen finanziellen Vorteil. So entfällt die beträchtliche Gebühr, die bei einer Wunschdomain entstünde. Auf der anderen Seite umtreibt mich die Sorge der Studentin und ich bin begierig darauf, die Identität des niedlichen Wesens zu eruieren.
Dabei sollen mir folgende Sachverhalte zum Nutzen gereichen:
Unabhängig von seiner Niedlichkeit scheint es mit einem garstigen, fast bösartigen und sadistischen Charakter ausgestattet zu sein. Es manifestiert sich auf der Tastatur des Laptops, wenn sich sein Opfer in einem dösenden Zustand befindet. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass es sich um ein Wesen der Zwischenwelt handelt. Allerdings spricht dagegen das wichtelhafte Aussehen. Überhaupt halten sich in der Zwischenwelt im Grunde nur Gestalten mit einem höheren Auftrag oder deren emotional aufgeladene Projektionen auf. Dass die Studentin ein schlechtes oder anderweitig aufgeladenes Gewissen bezüglich dieser Figur hätte, halte ich für äußerst fragwürdig. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sie gegenüber einem Wichtelzwerg ein schlechtes Gewissen entwickelt haben könnte. Solche Wesen sind in ihrer Ursprungsdimension extrem rar, wenn nicht sogar ausgeschlossen. Darüber ist es, nach stand der heutigen Forschung, unmöglich, dass es einem Wesen aus der Zwischenwelt gelingt, in der realen Welt zu erscheinen.
Die Eigenartigkeit seines Aussehens deutet auf die alten Völker hin, seine Körpergröße steht hingegen zu dieser Herkunft im Widerspruch. Und genau diese Tatsache, bringt mich auf die Spur seiner Identität.
Der wissensdurstige Schüler, wird längst in Erfahrung gebracht haben, dass im Anfang - nicht im Beginn der Trilogie, sondern im Anfang der Geschichte, ein Kästchen gefertigt wurde, das einen Kreislauf in Gang setzte, der gleichsam zerstörerisch, wie lebenserhaltend für die alten Völker werden sollte. Dabei ist die Frage nach dem Auftraggeber das größte, wenn ein nicht gar unlösbares Rätsel des Universums. Der Auftrag selbst jedoch, ein verzaubertes Kästchen zu schmieden, das alles Schlechte der Welt in sich aufnimmt, fiel einem der alten Völker zu. Es war keines der Völker, über die wir bereits Kunde erhalten haben, vielmehr kann sich kaum noch jemand an dieses Volk erinnern. Und das aus gutem Grund, denn es war zwar von umwerfender Niedlichkeit, zeichnete sich aber durch einen ausgeprägten Egoismus aus, durch Missgunst, Gier und Skrupellosigkeit, sowie durch einen beispiellosen Macht- und Zerstörungswillen. Kurz: Es waren garstige, manipulative, verlogene Gesellen und wie geschaffen für das Bestreben, mit dem Kästchen ein Gefäß zu errichten, das alles Negative in sich bündelt. Unter den Gelehrten ist man sich einig, dass sich dieses Volk auf den Auftrag durch das Versprechen einließ, durch das Böse, das sich in diesem Kasten konzentrierte, einen Vorteil gegenüber den anderen Völkern zu erlangen, sie zu knechten und für immer an sich zu binden. Man stelle sich eine Welt vor, in der man sich nicht einmal auf die Reinheit des Niedlichen verlassen könnte und in allem, was anziehend ist, den schlummernden Keim der Zerstörung vermuten müsste.
Es ist von Glück zu sprechen, dass sich das besagte Volk mit der Erschaffung dieses Kästchens selbst die Falle grub, die sein Schicksal besiegeln sollte, denn das Werkstück verschluckte in der Tat, kurz nach seiner Fertigstellung und seiner Versiegelung durch einen Zauberspruch, alles Böse und Niederträchtige, was sich in seiner Nähe aufhielt und ergab sich alsbald seinem vorgesehenen Kreislauf durch die Geschichte.
Die Waigs aber, und es ist fast zweifelsfrei anzunehmen, dass es sich bei dem niedlichen Wesen um einen Angehörigen dieser Volksgruppe handelt, gerieten schon bald in Vergessenheit. Wie das Wesen es nun genau schaffen konnte, aus seinem Gefängnis zu entkommen, bedarf weiterer Forschung. So ist es möglich, dass etwas auf der Website selbst, den Zauberspruch abschwächte. Es könnte auch sein, dass es die Waigs selbst waren, die einen Weg in die Freiheit gefunden haben.
Wie dem auch sei, es ist höchstwahrscheinlich, dass es sich bei dem kleinen Unhold um einen Angehörigen dieses Volkes handeln könnte.
Mit dieser Überlegung entließ ich die Studentin, die ihre Erleichterung kaum verstecken konnte, aus meinem Büro.






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