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Claudias Welt - Spiel 21, Teil 11: Das Haarbüschel auf der Bank

  • Autorenbild: claudia_roman
    claudia_roman
  • 10. Juli 2021
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 9. Aug. 2023

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Etwas fehlt!

Es ist dir bis jetzt nicht aufgefallen, aber nun bemerkst du es.

Es fehlt der leichte Sog, der dich bisher angetrieben hatte, wenn du vor einer Entscheidung standst. Es war nie mehr als ein Windhauch, der dich in die eine oder andere Richtung anstupste, viel zu sacht, um aufzufallen. Aber nun herrscht eine beinahe wohltuende Ruhe in deinem Kopf. Eine Ruhe, die man nur in der Freiheit findet, und zum ersten Mal hast du die Möglichkeit beide Optionen genau zu überdenken.

Im Grunde ist es dir klar:

Was sollst du alleine in einem Dorf, von dem du nichts weißt und aus dem du nur zwei äußerst seltsame Leute kennen gelernt hast. Du kannst die Möglichkeit nicht von der Hand weisen, dass die restlichen Bewohner des Dorfes – wie war noch sein Name? - sich genauso unberechenbar verhalten wie Gili und Nihaar und zumindest bei diesen beiden weißt du mittlerweile, woran du bist. Dieses Kontra liegt so schwer in der Waagschale, dass dich der lange, überflüssige Weg, den deine drei Gefährten einschlagen, nicht mehr abschreckt.

Vielleicht, so dein Gedankengang, findest du auf der Reise sogar den Professor.


Du schaust zum Horizont, dem sich die Hügel in sanften Wellen entgegenziehen und kneifst die Augen zusammen. Obwohl noch nicht viel Zeit verstrichen ist, sind deine drei Begleiter bereits aus deinem Blickfeld verschwunden.

Wie war doch gleich der erste Schritt? Über die Hügel am Graben entlang! Aber noch bevor du dir die Frage stellen kannst, welcher Graben wohl gemeint sein könnte, hörst du neben dir ein Plätschern. Du bist dir sicher, dass diese Rinne, die sich direkt am Weg entlangzieht, vor wenigen Augenblicken noch nicht da war. Das wundert dich nicht. An diesem Ort wundert dich nichts mehr.


Der Weg und der Graben führen dich in wilden Verrenkungen durch die Landschaft. Manchmal streben sie wie mit dem Lineal gezogen über ein flaches Feld. Mal beschreiben sie eine derart lange Kurve, dass du mit dem Rest deines räumlichen Verstandes davon ausgehen musst, im Kreis herumgeführt zu werden. Dem zum Trotz ändert sich die Umgebung ständig. Die Hügel sind von unterschiedlicher Höhe, mal mit grünem Bewuchs und vereinzelten Bäumen bestückt mal von einer üppigen Blumenpracht überzogen. Manchmal bestehen sie aber auch nur aus schwarzer Muttererde oder aus einer Anhäufung von Kieselsteinen. Gili, Nihaar und Braal sind allerdings nirgendwo zu entdecken. Hätte es irgendwo eine Gabelung oder eine Kreuzung gegeben, wärst du dir sicher gewesen, dich verlaufen zu haben.


Dir ist nicht klar, wie lange du schon diesem Weg gefolgt bist, aber du erkennst die fortgeschrittene Zeit an der Sonne, die schon merklich dem Horizont entgegen wandert und auch das Knurren in deinem Bauch erinnert dich daran, dass deine Abendbrotzeit gekommen ist.

Hinter einer Kurve, die dich gefühlt mehrmals im Kreis herumführt, (vielleicht verjüngt sie sich sogar zu einer Spirale) entdeckst du, eine Bank, die sich auf dem Kamm eines Hügels wenige Schritte vom Weg entfernt befindet. Die Rückenlehne ist dir zugewandt, so dass die Blickrichtung vom Pfad weg, auf die Landschaft gerichtet ist. Auf der Bank sitzt ein Büschel Haare. Es bedeckt vollständig die Konturen seines Besitzers und fließt über die Lehne bis zum Boden. Das Licht verzaubert es durch seinen Goldschimmer und weckt Assoziationen an ein Weizenfeld, das sich in der Abendsonne wiegt.

Das flaue Gefühl in deiner Magengegend lässt sich nicht ganz unterdrücken, als du dich traust, das Haarbüschel anzusprechen.

„Hallo? Kannst du mich hören?“ Eigentlich eine seltsame Frage, um Aufmerksamkeit zu erlangen, denkst du, denn so weit ist die Bank nicht entfernt. Trotzdem hast du schlussendlich gelernt, dass du nicht für alle Bewohner dieses Ortes hörbar bist.

„Was hast du gesagt?“ Die wohltönende Bassstimme, die von der Bank zu dir herüber erschallt, stimmt dich zuversichtlich. Und das, obwohl das Wesen weiter regungslos auf der Bank verharrt. Die Reaktion ermutigt dich zum Weitersprechen: „Sind hier drei Personen vorbeigekommen? Ein kleines Mädchen und zwei Männer, ein älterer Herr und einer mit unglaublich langen Armen und Beinen?“

Eigentlich rechnest du damit, dass sich das Haarbüschel zu du dir umdreht und bist nicht schlecht verwundert, als es sich von der Bank erhebt und einen Schritt auf dich zukommt.

Es dauert eine Weile bis dir klar wird, dass es nicht wie ein Geist, durch die Lehne hindurch geglitten ist. Vielmehr ist die Blickrichtung der Bank stets dem Weg zugewandt gewesen und du bist einer optischen Täuschung aufgesessen. Du hast nicht den Rücken des Wesens im Blick gehabt, sondern seine Vorderseite, die von seiner Haarpracht vollständig verdeckt wird und weiter bis zum Boden reicht.

„Ich kann dich nicht hören! Du musst lauter sprechen“

Gut! Wenigstens kann das Ding dich verstehen.

„Ich habe gefragt“, beginnst du und willst einen Schritt vom Weg ab und auf das Wesen zugehen.

„HALT!“, wirst du unterbrochen. „Betrete auf keinen Fall die Wiese!“

Du hältst erstaunlicherweise verwundert inne. Erstaunlich, weil dich hier tatsächlich noch etwas erstaunt. Vielleicht ist es aber auch einfach nur ein Reflex. Etwas dass du aus deiner Welt übernommen hast und das nun ganz automatisch abläuft. Vielleicht ist es auch ein genetisches Programm, dass immer dann abläuft, wenn etwas ungewöhnliches passiert, um von dem Sinnesreiz zur Handlungsentscheidung ein wenig Zeit zu gewinnen.

„Denkst du immer so ein verschwurbeltes Zeug?“, fragt dich das Haarbüschel und weiter: „Es könnte zu umständlich sein, dir das zu erklären. Ich zeige es dir schnell.“

Das Wesen bewegt sich einen großzügigen Schritt auf die Grasfläche. Es wirkt ein wenig als, würde es schweben, denn die Bewegung der Beine lassen sich unter den Haaren nur erraten.

Einen kurzen Moment passiert nichts. Der Wind bewegt die Blätter der Bäume und streicht sanft durch das Gras. Neben dir plätschert das Wasser im Graben. Dann hörst du ein Knacken. Es erinnert dich an das Geräusch, das entsteht, wenn man ein Bündel trockener Zweige zerbricht. Der Hügel beginnt sich zu bewegen. Die Grashalme verändern ihre Farbe. Das satte Grün wird zu einem welken Gelb und schließlich zu einem fauligen Braun. Aus dem Boden schlängeln sich dieselben Fäden, die schon vor einiger Zeit aus dem Telefonhörer gekrochen sind. Sie bewegen sich auf das Wesen zu schlängeln sich die Haare hinauf und versenken sich in den Scheitel. Die Haare bewegen sich dabei wie ein Theatervorhang, hinter dem gerade Bühnenarbeiter eine neue Szene vorbereiten und immer wieder an den verdeckten Rand der Bühne stoßen. Blasen und Senken überziehen den haarigen Vorhang und lassen ihn immer tiefer in den Grund versinken. Die Gestalt scheint zu schrumpfen. Sie wirkt wie eine Gummipuppe, aus der langsam die Luft entweicht und es dauert nur wenige Augenblicke, bis der letzte Rest deiner seltsamen Begegnung im Boden versunken ist. An dieser Stelle entläd der Hügel noch eine Handvoll Erde und Geröll, wie bei einem Bäuerchen, dann liegt er wieder leise und still vor dir im Abendlicht. Hinter dir kichert die Scharluthe.


Du schüttelst den Kopf und gehst weiter. Irgendwann wirst du deine drei Gefährten schon noch einholen.


Du bist nicht lange gewandert, da siehst du auf einem anderen Hügel, nach einer Kurve, die den Anschein hat, als führe sie dich im Kreis herum, wieder eine Bank auf der ein haariges Wesen sitzt.


„Du musst deine Scharluthe bessere Manieren beibringen!“, hörst du schon von weitem die angenehme Stimme des Haarwesens. „Man lacht nicht, wenn jemand von schwarzen Flusseln zersetzt wird.“

Okay, denkst du. Jetzt hätte ich viele Fragen. Wieso ist dieses Ding wieder hier, obwohl es vor meinen Augen von diesen Fäden aufgelöst wurde? Wer oder was ist das eigentlich und warum hat es so eine bescheuerte Frisur? Meint es mit Flusseln diese Fäden? Was sind diese Fäden überhaupt? Ist das dieselbe Bank oder die gleiche? Bin ich diesmal wirklich im Kreis gelaufen? Und wie erzieht man eine Scharluthe?


All diese Fragen brennen auf deiner Zunge, aber es überkommt dich ein unbehagen, ob du sie an das Wesen richten solltest. Könnte es sein, dass es die bessere Entscheidung ist, die Gestalt einfach zu ignorieren und den Weg fortzusetzen?


Wie entscheidest du dich?


a) Du bleibst stehen und versuchst dich mit dem Haarbüschel zu unterhalten.


b) Du gehst weiter.


Die Spielregeln gelten unverändert: Kehre zu der Facebookseite zurück und wähle den Daumen für a) und das Herz für b) und warte, was passiert.



Collage aus Bildern von Mylene2401und Darvood Kirshot


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©2019 Claudia Roman - Autorin. Erstellt mit Wix.com

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