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Das Spiel 21: Zwei Gefährten und ein Esel

  • Autorenbild: claudia_roman
    claudia_roman
  • 1. Mai 2023
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 7. Aug. 2023

Hier geht es zum Anfang des Spiels:




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Du überlegst zwar noch, ob es vielleicht doch keine gute Idee ist, die beiden anzusprechen. Allerdings scheint es sonst keine Menschenseele weit und und breit zu geben. Deshalb nimmst du deinen ganzen Mut zusammen. „Hallo, ich wünsche Euch einen schönen Tag. Vielleicht könnt ihr mir weiterhelfen? Ich suche einen Professor Güldendorf. Wisst ihr, wo er sich aufhält und wie ich zu ihm komme?“


Nun haben dich die drei fast erreicht. Im Gegensatz zu dem Mädchen, das abrupt stehenbleibt und seine riesigen Augen weit aufreißt, schlurft der Mann mit dem Esel voran.

„Er hat gesprochen!“, ruft das Kind.

„Wer“, hörst du den Mann, „die Scharluthe? Was hat sie gesagt?“

„Doch nicht die Scharluthe. Hätte die Scharluthe etwas gesagt, hätte ich nicht gerufen, dass ER gesprochen hat.“

„So ein Unfug, Mädchen! Menschen können nicht sprechen!“

Langsam wird dir die ganze Situation zu blöd. Du entscheidest dich, nicht weiter auf die Leute einzugehen. „Die sind eindeutig nicht ganz dicht“, murmelst du dir zu.

„Er hat Hallo gesagt und noch ganz viel anders Zeug. Und er hat noch gesagt, dass wir eindeutig nicht ganz dicht sind. Was meint er damit, Großvater?“ Der Mann hebt nun den Kopf und sieht dich mit zusammengekniffenen Augenbrauen an. „Bist du sicher? Weißt du, was das bedeuten könnte? Wir sind nicht ganz dicht! Vielleicht ist das ein Rätsel.“

„Soll ich ihn fragen? Ich mag Rätsel!“

„Frag ihn!“

Das Mädchen sieht dich direkt mit ihren Glubschaugen an. Ihre Pupillen verschlucken große Teile der Iris, die sie wie klares Wasser umspülen. Es wirkt, als winden sich darin kleine Würmer der undurchdringlichen, leicht pulsierenden Schwärze entgegen. Und nun bist du sicher, dass du nicht mit diesem Kind sprechen möchtest. Das hindert es aber nicht, selbst das Wort an dich zu richten: „Du, Mensch? Wir verstehen nicht, was du meinst, wenn du sagst, dass wir „nicht dicht“ sind. Wir brauchen noch einen Hinweis.“

Dein Mund klappt einige Male auf und zu, ohne, dass es ein Laut über deine Lippen schafft.

„Was sagt er?“, fragt der Mann.

„Nichts.“, antwortet das Mädchen.

„Aber er hat doch den Mund bewegt. Ich habe es ganz deutlich gesehen.“


Endlich gelingt es dir, die Frage nach Professor Güldendorf zu wiederholen, doch die Hoffnung eine brauchbare Information schwindet, als das Mädchen die Worte an seinen Großvater weitergibt.

„Was sucht er? Eine Ente?“

„Nein, einen Professor.“

„Also doch eine Ente.“

„Was soll ich ihn jetzt fragen? Das macht Spaß.“


Nun platzt dir endgültig der Geduldsfaden: „Nichts!“, rufst du aus. „Du fragst mich nichts mehr. Ich verschwende meine Zeit doch nicht mit dämlichen Dialogen. Ich werde den Professor schon irgendwie finden und brauche dafür gewiss nicht die Hilfe von zwei durchgeknallten Irren mit einem Esel!“

„Was sagt er jetzt?“

Das Mädchen blickt dich unentschlossen an, legt seinen Finger an sein Kinn und kneift die Lippen zusammen. „Hmm. Rätselhafte Sachen. Er will sich nicht befragen lassen und er will seine Zeit nicht mit dämlichen Dialogen verschwenden und findet den Professor allein.“ Jetzt dreht es sich zu seinem Großvater um und schaut abwechselnd auf ihn und den Esel. Die Besorgnis auf seinen Zügen kann es nur schwer verstecken. Der Mann kneift die Lippen zusammen und fängt an zu glucksen. „Weiter!“

„Bist du sicher?“ Mit jedem Gluckern quellen die Augen des Esels ein wenig mehr aus den Höhlen. Auch der Rumpf des Tieres beginnt zu schwellen, fast so, als sei er durch ein unsichtbares Band mit dem Mann verbunden und würde von seinem unterdrückten Lachen aufgepumpt. Er ist nicht mehr in der Lage zu Antworten, aber er nickt.

„Er sagt, er braucht keine Hilfe von zwei durchgeknallten Irren mit einem Esel“, sagt die Kleine und kneift ihre Telleraugen zusammen. Das war auch notwendig, wie du zu spät bemerkst, denn als der Lachanfall aus dem Alten herausbricht, explodiert der Esel. Fleischfetzen, Innereien und Knochensplitter regnen zusammen mit einer Fontaine aus Blut auf euch hinab und ein beißender Gestank durchzieht die idyllische Landschaft. In einer Pfütze aus organischem Matsch, aus der einige Rippen ragen, pulsiert noch das Herz des Tieres.

„Verzeihung!“, hörst du von irgendwoher den Mann.

„Das erklärst du aber jetzt der Mama, Großvater. Ich mach das nicht!“


Du hast nun endgültig genug. Du verabschiedest dich und gerade willst du gehen, da durchfährt dich erneut ein Schmerz in der Brust. Er ist so überwältigend, dass du dich kaum noch auf den Beinen halten kannst.

„Du kannst nirgendwo hingehen, wenn deine Scharluthe das nicht will“, sagst das Mädchen. „Aber du kannst mit uns gehen, wenn mein Großvater erlaubt, dass ich dich behalten darf. Dann sind wir nämlich zu zweit. Du brauchst immer jemanden, der den Willen der Scharluthe überstimmt. Sonst kannst du gar nichts machen.“


Nun stehst du erneut einer Entscheidung. Du glaubst dem Kind und lässt dich von ihm „behalten“ oder du versuchst noch einmal, deinen Weg fortzusetzen und dich diesmal langsamer und bewusster zu bewegen.


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