Claudias Welt-Das Spiel 21: Zimmer 24-0
- claudia_roman

- 27. Feb. 2021
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Aug. 2023
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Es muss deine Intuition sein, die dich nach deiner Jacke greifen lässt und dich wieder aus der Tür führt, noch bevor du überhaupt deine Schuhe ausgezogen hast. Du kannst die Befürchtung nicht ignorieren, dass dich dieser unheimliche Professor auch auf dem Sofa vor dem Fernseher nicht in Ruhe lassen könnte.
Und so stehst du einige Zeit später vor dem Informationspult in der Unibibliothek und fragst nach einem Professor Güldendorf.
Dir fällt wieder auf, wie sehr du Bibliotheken liebst. Noch bevor du lesen konntest, warst du Gast in der Kinder- und Jugendbibliothek deiner Stadt. Du siehst dich noch in den Leseecken der Bilderbuchabteilung in den kuscheligen Sitzgelegenheiten versinken und in die Wunderwelt der Bildergeschichten eintauchen, umgeben von dem Geruch nach altem Papier und Druckerschwärze.. Es war diese saubere und geordnete Atmosphäre, die dir Halt gab und dich ein wenig vor der Erwachsenenwelt beschützte, die wie ein dunkler, geheimnisvoller Ort jenseits deiner Verstandesmöglichkeit lag. Nun weißt du, dass die Bücher nicht nur ein Schutz vor dieser Erwachsenenwelt, sondern auch ihr Schlüssel war. Besonders nach wilden, ausgelassenen Spielen am Vormittag, war die Bibliothek ein willkommener Platz, um zur Ruhe zu kommen und deine kindliche Seele zu ordnen.
Gleich nachdem du durch die Glastür trittst, fallen dir die Reihen der Computertische auf, die schon vor langer Zeit die Karteikartenschränke ablösten. Du erinnerst dich noch vage, welchen Respekt dir die neuen Entwicklungen der Technik eingeflößt hatten. Und ist es nicht erstaunlich, dass dir die Erinnerung an diese Zeit, nun wie ein Blick in eine fremde Kultur erscheint? Dennoch war für dich das prädigitale Zeitalter, mit all seinen Karteikarten, Telefonzellen, Postwegen und Präsenzpflichten noch Realität und die heutige Normalität, mitsamt den Suchmaschinen, Handys, E-Mails, Chatrooms und Onlineshops pure Science Fiction.
Du bemerkst, dass diese Gedanken, außer der üblichen Wehmut über das Vergehen von Zeit, keine Wertungen enthalten. Sie sind lediglich nur Feststellungen, kühl und nüchtern. Es war damals bei weitem nicht alles perfekt. Und doch ist es eine erleichternde Vorstellung, dass in den oberen Stockwerken, wie eh und je, das Wissen der Welt, nach Themen und Verfassernamen sortiert, zwischen dicken Pappdeckeln, gebunden, getackert oder geleimt, dicht gedrängt zwischen unscheinbaren Holzregalen darauf wartet, benutzt zu werden. Nur, dass sich mittlerweile das Suchen nach einem bestimmten Buch problemloser und schneller gestaltet.
Die freundliche Dame an der Ausleihe nickt, schaut in ihren Computer und schickt dich dann in Zimmer 0-24, direkt zum hinteren Bereich der Eingangshalle. Du kannst dich noch daran erinnern, dass dort kleine Räume für Studienvorhaben und Gruppenarbeiten angemietet werden konnten und du fragst dich, warum dich dieser Professor Güldendorf sich dort wohl eines dieser Zimmer reserviert hatte. Du kannst dir nicht vorstellen, dass er dort in dieser unpersönlichen Umgebung seine Forschungsprojekte betreibt und seine Studenten empfängt. Dafür gab es doch die Büros in den jeweiligen Fakultätsgebäuden. Diese Gedanken schießen dir in den Kopf, als du dich an den Suchcomputern vorbei, zum hinteren Bereich schiebst, von dem dir die großen, roten Zahlenreihen an den Türen entgegenleuchten.
Das Zimmer 0-24 ist das letzte der Reihe, kurz vor der Glastür zum Verwaltungstrakt. Du zögerst einen Augenblick, bevor du klopfst und durch ein zaghaftes, beinahe überraschtes „Ja, bitte?“ zum Eintreten aufgefordert wirst.
Der Raum ist genauso, wie du ihn dir vorgestellt hast. Vor einem großen Fenster, durch das großzügig das Sonnenlicht gelassen wird, steht ein einzelner Schreibtisch. Drei Bücher, ordentlich übereinandergelegt, ruhen unter einer Schreibtischlampe. Auf der Tischfläche selbst liegen verstreut die Seiten der beiden Bücher, zu unterschiedlichen Höhen gestapelt. Daneben befindet sich ein Notizblock, auf dem ein Kugelschreiber ruht. Die Person dahinter wirkt in dieser hell-sterilen Umgebung noch ein wenig älter, noch ein wenig kleiner und noch ein wenig blasser als du sie in Erinnerung hast und es ist doch unzweifelhaft der Mann, mit dem du auf den Stufen zum Museum zusammengestoßen bist.
„Herr Professor Güldendorf?“
Ein flüchtiges Lächeln schimmert durch seinen Bart. „Was kann ich für Sie tun?“, fragt er.
„Wir sind uns heute schon einmal begegnet. Erinnern Sie sich?“
Die Augen des Mannes verengen sich. „Nicht so ganz, aber das heißt nichts. Ich bin furchtbar vergesslich.“ Du musst zugeben, die Situation hat etwas Irreales. Du bist schließlich nur hier, weil du in dieser höchst eigenartigen Seite, ein Hilferuf des Professors nicht nur gelesen, sondern sogar am eigenen Leib erfahren hattest. Der Mann hinter dem Schreibtisch wirkt aber in keiner Weise, als ob er in Not wäre. Er sieht nicht einmal im Ansatz gestresst aus.
„Wir sind uns auf den Stufen zum Museum in die Quere gekommen und ich habe ihnen geholfen, die Seiten ihrer Bücher einzufangen. Nun, ich muss eines versehentlich eingesteckt haben. Ich habe das aber erst zuhause bemerkt.“
„Und dann sind Sie extra noch einmal hierhergekommen, um mir diese eine Seite wiederzubringen? Das ist so reizend wie unnötig. Wissen Sie, ich befürchte, ich hätte die fehlende Seite nicht einmal bemerkt. Diese Bücher sind ein wenig eigenwillig, wenn ich mir diese kryptische Bemerkung erlauben darf.“
„So kryptisch ist diese Bemerkung nicht“, entschlüpft es dir. Du ziehst das Papier aus deiner Jackentasche und hältst es Güldendorf entgegen. Die Feuchtigkeit hat auf dem Blatt Wellen hinterlassen und du bemerkst, wie sich auch auf der Stirn des Professors zwischen seinen zusammengezogenen Augenbrauen Wellen bilden.
„Sie haben aber nicht gelesen, was darauf stand?“ Die Stimme des Mannes hat etwas flehendes.
„Doch, und ich weiß nicht, was ich davon halten soll und deshalb bin ich hier.“
Die entspannte Ausstrahlung des Professors ist verflogen. Er sieht das Blatt nicht einmal an, das langsam in deiner Hand zu zittern beginnt. „Dann haben wir jetzt ein ernstes Problem. Bitte“, er deutet auf den Stuhl, der ihm gegenüber am Schreibtisch steht, „setzen Sie sich. Möchten Sie ein warmes Getränk? Kaffee oder Tee?“
Ein warmes Getränk wäre eine gute Hilfe, um sich zu entspannen, denkst du. Du kannst die Unruhe, die dich ergreift, nicht abschütteln.
Kaffee oder Tee? Folge unten in der Auswahltaste einfach deiner Wahl.
Bild von Mysticsartdesign auf Pixabay





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