Figureninterview- Wie hältst du es mit der Religion, Claudia?
- claudia_roman

- 6. März 2020
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. März 2020
Zur These der Woche, dass ja das Leben primär ziemlich geil sei.

Bild von Ajay kumar Singh auf Pixabay
Autorin: Hallo Claudia! Das ging ja schneller als gedacht mit unserem zweiten Interview.
Und gleich so ein „fettes Brett.“
Claudia: Ich begrüße dich auch. Aber sag mal, was meinst du mit dem „fetten Brett“? Doch nicht etwa die Frage nach meinem Glauben?
Autorin: Doch, genau die und ich bin gespannt, wie du sie mit dem primär ziemlich geilen Leben verbinden möchtest.
Claudia: Ich finde die Antwort auf die Frage überhaupt nicht schwierig. Ich finde es auch nicht kompliziert, meine religiösen Ansichten mit der Suche nach einem gelungenen Leben in Verbindung zu bringen. Ich habe keine religiösen Ansichten und sie beeinflussen deshalb in keiner Weise meine Lebensqualität. Frage und These haben in meiner Welt keine Berührungspunkte.
Autorin: Wir sollten ein wenig präziser werden. Was sind das genau für religiöse Ansichten, die du nicht besitzen willst. Beziehst du dich auf den christlichen Gott, andere personifizierte Götter oder den philosophischen Gott?
Claudia: In keiner einzigen Naturbeschreibung ist es notwendig, einen Gott einzuführen und dabei ist es völlig zweitrangig, ob man ihn nun Gott, Manitu, den unbewegten Beweger oder Mansur Faqiryar nennt.
Autorin: Ich glaube, Mansur müssen wir kurz erklären: Er war ein Spieler, der bei unserem Regionalliga-Fußballverein im Tor stand.
Claudia: Und afghanischer Nationaltorwart.
Aber es geht darum, dass das, was uns die Wissenschaft an Kenntnissen über die Funktionsweise dieser Welt verrät, keinen Götterfunken benötigt. Es ist alles vorhanden, was für die Entstehung der Welt gebraucht wird: jede Menge Raum, Zeit und Materie in perfekter Anordnung. Am geilsten sind die Naturgesetze und ihre universelle Gültigkeit. Die Himmelsmechanik ist dabei leicht nachzuvollziehen, weitgehend frei von chaotischen und deshalb unberechenbaren Systemen. Die Anziehungskraft beispielsweise gilt hier genauso wie auf dem Mond, auf dem Jupiter oder im Andromedanebel. Und sie sind nicht nur die Garanten für unsere Existenz. Sie flüstert ihre Geheimnisse seit mehr als 13 Milliarden Jahre in die Welt. Wir müssen nur die richtigen Fragen stellen und beobachten, um zu erstaunlichen Ergebnissen zu kommen.
Autorin: Gut, die Sache mit der Schöpfung ist das eine, aber was ist mit der ethischen Komponente?
Claudia: Was ist mit der ethischen Komponente?
Autorin: Naja, es wird dem Schöpfergott oder überhaupt einer ordnenden Instanz unterstellt, sie wisse, wie es mit dem richtigen Leben funktioniert. Das macht meiner Meinung nach auch Sinn. Die sogenannten göttlichen Gesetze zielen ja darauf ab, ein funktionierendes Miteinander zu gewährleisten. So kann die maximale Freiheit eines jeden Einzelnen gewährleistet werden, ohne das soziale Gefüge zu zersetzen.
Claudia: Oh, jetzt wird das Brett ja doch dicker als angenommen. Ich finde es schade, dass gerade die monotheistischen Religionen, durch unglückliche historische Fügungen so eine dominante Stellung auf diesem Globus einnehmen konnten. Diese Exklusivität, die ihm eigen ist und dies darin enthaltenene Abwertung anderer Glaubenskonstrukte hat dazu geführt, dass man sich lange Zeit nicht auf das wesentliche konzentrieren konnte.
Autorin: Was da wäre?
Claudia: Man hat übersehen, dass sich menschliches Leben rund um den Globus entwickeln konnte, oftmals unabhängig voneinander. In einer Welt, die mehr der Wissenschaft als dem Aberglauben und der politischen Willkür, angehangen hätte, wäre das eine großartige Chance gewesen, die Gemeinsamkeiten mit dem Fremden zu untersuchen und so zu universell menschlichen Schlüssen zu kommen. Man kann sich doch nicht nur eine Kultur, zudem noch die Kultur in der man sich selbst befindet, nehmen und daraus auf das allgemein Menschliche schließen. Was uns aufgefallen wäre, und da bin ich mir sicher, ist die Gültigkeit von ethischen Prinzipien überall und in jeder Kultur, unabhängig der Religion.
Autorin: Aber...
Claudia: HALT! Ich weiß, was jetzt kommt. Menschenopfer und Kannibalismus oder ähnlich verquere, ritualisierte Verhaltensweisen. Die haben aber nichts mit der Abwesenheit von Ethik, sondern der Anwesenheit von Glaubens- und Machtkonstrukten zu tun. Ich denke, da finden wir in jeder Kultur das eine oder andere, was fragwürdig ist.
Autorin: Also ist Ethik doch nicht im menschlichen Wesen immanent?
Claudia: Hab ich ja auch nicht behauptet. Ich bin auch nicht bei Kant, wenn er von einem moralischen Gesetz spricht, das irgendwie in einem Menschen verankert ist. Ich glaube, es ist eine Frage der Erziehung und nicht der Religion. Um zum Schluss zu kommen: Religion taugt für mich zu nichts. Als Naturerklärung bietet sie keine Antworten und als moralische Instanz, darf sie gerne ihre Berechtigung behalten, solange sie das Private nicht verlässt. Für mich allerdings gehen ihre Antworten nicht weit genug.
Autorin: Und was ist mit dem Leben nach dem Tod?
Claudia: Erstens halte ich es mit Epikur: Der Tod ist für uns ein Nichts. Was sollte er uns angehen? Zweitens ist das hier nicht das Thema. Es geht hier ja ums geile Leben und weißt du, was am geilsten am Leben als Autorin ist?
Autorin: Das wir Gott spielen können?
Claudia: So ist es! Wir können ganze Imperien erschaffen und zerstören. Wir können Morden, ohne uns die Hände schmutzig zu machen, Wir können die Naturgesetze außer Kraft setzen. Wir können in die unentdeckten Sphären unserer Welt und aller Welten dringen und können sie nach unseren Vorstellungen gestallten. Wir können lieben, wen wir wollen. Wir können vernichten, wen wir wollen. Und wenn es uns beliebt, beugen ganze Heerscharen vor uns ihre Knie.
Ach, da werde ich ganz wuschig!
Autorin: Moment, den letzten Satz wollte ich gar nicht schreiben.






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