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Figureninterview- Mit Margarethe im Tretboot auf dem Zwischenahner Meer

  • Autorenbild: claudia_roman
    claudia_roman
  • 12. Juni 2020
  • 2 Min. Lesezeit

These der Woche: Liebe ist rückblickend völlig überschätzt.




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Bild von Susanne Jutzeler auf Pixabay


Autorin: Seien Sie gegrüßt, Frau Walther.


Margarethe: Sind Sie sicher, dass ich steuern soll?


A. Das ist ganz einfach, wie Autofahren.


M: Oh je, oh je! Das wackelt aber ganz schön!


A: Sie werden sehen, es ist total entspannend.


M: Es regnet!


A: Ach, wir sind doch wasserdicht ausgerüstet.


M: Oh je! Wie das wackelt!


A: Sitzen Sie gut?


M: Der Sitz ist nass und meine Füße stehen in eine Pfütze, aber sonst geht es.


A: Dann lassen Sie uns loslegen.


M: Wohin?


A. Einfach drauflos. Am besten nicht zu nah ans Ufer.


M:Aber wenn wir kentern?


A:„Das passiert nicht!“


M: Das sagen Sie so!


A: Was halten Sie von der These der Woche?


M: Das sage ich Ihnen, wenn Sie sie mir verraten.


A: Liebe ist rückblickend völlig überschätzt.


M: Liebe kann nichts rückblickend sein.


A: Wieso nicht? Ich kann doch auf eine vergangene Liebesbeziehung zurückblicken.


M: Dann schauen sie auf eine vergangene Liebesbeziehung zurück, aber nicht auf die Liebe an sich. Die Liebe an sich ist, wie jedes Gefühl, gebunden an einen Augenblick und trägt keinen Wert außerhalb des Erlebens. Es gibt kein falsches oder richtiges Gefühl. Es gibt kein überschätztes oder unterschätztes Gefühl. Es gibt nur eine Intensität seines Erlebens. Das Urteil, ob etwas in der empfundenen Stärke angemessen oder unangemessen war, hat nichts mehr mit Empfindung selbst zu tun. Was blubbert da?


A: Aber wenn man Liebe nicht als bloße Empfindung begreift, sondern dem Wort eine Bedeutung überträgt, die sich in zwischenmenschliche Handlungsmuster einbindet, dann finde ich schon, dass ich das, was ich als Konzept „Liebe“ in Filmen und Büchern kennenlernte, in seiner Bedeutung als Jugendliche überschätzt habe. Wenn ich mich beispielsweise erinnere, wie ich als Teenager stundenlang vor dem Telefon ausgeharrte, in der Hoffnung, dass mich der Auserwählte anruft, kann ich heute zu diesem Schluss kommen.


M: Doch in dem Moment haben Sie es nicht als Gefühl empfunden, dass sie überschätzten. Das kam erst mit zunehmenden Alter und anderen Erfahrungen. Und jetzt, wo sie zurückblicken und es als überschätzt bewerten, ist es keine Liebe mehr. Ich glaube, irgendetwas ist unter dem Boot.


A: Aber das behauptet die These ja auch gar nicht. Ich denke, wir haben hier zwei verschiedene Ebenen. Einmal das Empfinden selbst, das „In-The-Box-Sein“, also die Unfähigkeit, sich außerhalb seiner Empfindungswelt zu begreifen und dann der sprachliche Ausdruck dieser Empfindungswelt. Letzterer ist notwendig um überhaupt über Gefühle sprechen zu können.

Ein Beispiel: Als kleines Mädchen habe ich gehört, dass in diesem See hier ein riesiger Wels leben soll, der sogar hin und wieder einen Menschen verschlang. Natürlich war das Mumpitz. Nichtsdestotrotz habe ich lange Zeit Angst vor diesem See gehabt und auch, wenn diese Furcht als Kind real empfunden war, kann ich sie heute als übertrieben und die Bedrohung als überschätzt bewerten. Ich kann darüber sprechen und wenn ich es möchte, kann es sogar das Motiv eines Romans sein. Das Wort hat also, ähnlich wie die These der Woche, eine andere Qualität, als die chemisch-biologischen Prozesse, die dieses Gefühl...Hey! Was machen Sie?


M: Ein Wels? Ich bleibe keine Sekunde länger auf diesem See!


A: Aber Frau Walther! Bleiben sie ruhig!... Nicht zum Ufer! NICHT ZUM UFER!

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