Figureninterview mit Margarethe Walther, Teil 2
- claudia_roman

- 6. Dez. 2019
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Dez. 2020
Margarethe: Da das Plastinationsverfahren sehr teuer ist, wende ich es ausschließlich bei Auftragsarbeiten an. Es ist ein recht kompliziertes Verfahren, in dem zunächst das Präparat in einem Formalinbad fixiert und in die gewünschte Form gebracht wird. Im Anschluss daran folgt das Kältebad. Hier wird Gewebewasser und Fett durch ein Lösungsmittel ausgetauscht.
Für den nächsten Schritt wird die Vakuumkammer benötigt. Sie sieht ein wenig aus, wie eine überdimensionierte, verschließbare Badewanne. Dort wird das Werkstück in flüssigen Kunststoff eingelegt, der durch den Unterdruck das Lösungsmittel aus den Zellen heraus spült und ersetzt. Am Ende der Plastination wird das Werkstück gehärtet und die Feinheiten bearbeitet. Für die Härtung gibt es unterschiedliche Verfahren, die ich hier aber nicht alle aufführen werde.
Autorin: Das wäre wohl eher für eine Fachleserschaft interessant. Ich allerdings würde gerne etwas über die Neuerung erfahren, die sie vorhin erwähnten.
Margarethe: Es geht um die Koloration des Gewebes. Es ist üblich, den Farbstoff im ersten Schritt – also bei der Fixierung – mit dem Formalin in die Zellen zu leiten. Das reicht durch die unterschiedliche Zellbeschaffenheit der Organe in der Regel aus, um die anatomischen Strukturen hervorzuheben. Ich habe herausgefunden, dass auch im Prozess der Plastinierung selbst Farbeffekte erzielt werden können. Da lässt sich einiges variieren. Man kann z.B. dem Tier einige Organe entnehmen, sie einzeln wie gehabt im Formalinbad färben und wieder zusammensetzen. Wenn man nun durch die Kunststofflösung eine andere Tönung dazu gibt, erhält man umwerfend intensive Farbergebnisse und Reflexe.
Autorin: Sind denn die Stücke für den Film zum Einsatz gekommen.
Margarethe: Selbstverständlich. Wieso nicht?
Autorin: Kam da nicht die Mordermittlung dazwischen?
Margarethe: Die Präparate waren zu dieser Zeit doch schon längst fertig.
Autorin: Und es gab keine Schwierigkeiten?
Margarethe: Schwierigkeiten? Ich hatten einen Vertrag und dem bin ich nachgekommen.
Autorin: Ich dachte an die Polizei, haben die nicht ihren Werkkeller untersucht?
Margarethe: Da gab es keinen Grund zu. Mein kleiner Junge ist tot. Ich habe ihn getötet, als ich in einem psychischen Ausnahmezustand war. Der Fall ließ keine Fragen offen. Ich bin sogar freiwillig in die Psychiatrie gegangen. Dort bin ich drei Jahre behandelt worden, konnte meine Tat reflektieren und lernen, damit zu leben. Und das allein ist eine Mammutaufgabe. Für die Behörde war der Tatbestand klar. Da war nichts mehr zu ermitteln. Wonach hätten sie suchen sollen?
Autorin: Nach dem anderen Kind?
Margarethe: ...
Autorin: Frau Walther?
Margarethe: Was für ein anders Kind?
Autorin: Cecilia Nada, die Zwillingsschwester von Loretta.
Margarethe: Loretta? Die Philipps kleine Freundin. Die hat eine Zwillingsschwester? Das wusste ich nicht. Aber was hätte dieses Kind in meinem Arbeitskeller zu suchen?
Autorin: Ich hätte das gerne von Ihnen erfahren.
Margarethe: Ich weiß darüber nichts und die Polizei hat mich nicht danach gefragt. Was ist denn mit dem Mädchen?
Autorin: Es ist verschwunden.
Margarethe: Das tut mir – aber Moment mal! Beschuldigen Sie mich hier, etwas mit dem Verschwinden dieses Kindes zu tun zu haben? Ich werde auf diese Unverschämtheit auf keinen Fall antworten. Am Ende schieben sie mir den Mord an dieser Nuttenschlampe ...
Autorin: Frau Walther, bitte!
Margarethe: Na, die Mutter von diesem Bettnässer – Lars! Sie erinnern sich. Ich habe niemandem anderen geschadet außer meinem Sohn und mir. Und ich lasse mir nicht so eine Scheiße unterstellen. Ich denke, das Interview ist jetzt beendet.
Autorin: Bevor Sie uns verlassen, eine Bitte: Sind Sie einverstanden, wenn ich die Zeichnung, die sie während des Interviews angefertigt haben, für eine meiner Rubriken vorschlage? Ich bin da auf der Suche ...
Margarethe: Machen Sie doch mit der verfickten Kritzelei, was Sie wollen, Sie dumme Kuh!
Autorin: Frau Walther, ich bedanke mich!
Nachtrag:

Das ist die Zeichnung, die während des Interviews entstand. Leider wurde der Entwurf von Loretta abgelehnt.






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