HEUTE: Lars Roman, Journalist, 35 Jahre alt, verheiratet, keine Kinder
- claudia_roman

- 15. Nov. 2019
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Nov. 2020
Autorin: Wie schön, dass Sie es einrichten konnten und nun hier sind.
Lars: Danke für die Einladung. Es ist mir ein Vergnügen. Wenn ich ehrlich bin, war das mit dem „Einrichten“ kein Problem. Ich bin ja wegen einer PTBS zur Zeit nicht arbeitsfähig. Entschuldigen Sie, wenn ich Sie so anstarre, aber hat das mit ihrer Sonnenbrille einen Grund? Es herrscht hier auf Ihrer Seite nicht gerade eitel Sonnenschein.
Autorin: Betrachten Sie es als mein Markenzeichen. Aber um das aufzugreifen, was Sie gesagt haben: Sie leiden also unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Mögen Sie uns verraten, was Ihnen passiert ist?
Lars: Mir ist im Grunde nichts passiert, eher meiner Frau. Sagen Sie mal, ist das Ihr echtes Haar oder eine Perücke?
Autorin: Das ist nicht mein echtes Haar und auch das gehört zu meiner Inszenierung. Lassen Sie uns jedoch über Ihre Frau sprechen...
Lars: Meinen Sie, blond ist eine gute Idee? ... Oh je! Bitte verzeihen Sie vielmals. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, aber Ihre Verkleidung irritiert mich gerade enorm. Wo waren wir?
Autorin: Ich denke, unsere Leserschaft ist interessiert daran, was mit Ihrer Partnerin geschah.
Lars: Natürlich, natürlich! Ihre Perücke hat einen ähnlichen Schnitt wie meine Frau und auch die Haarfarbe ist ähnlich, wissen Sie das?
Autorin: Herr Roman, bitte. Es geht hier wirklich nicht um mich.
Lars: Nun gut. Ich habe ein wenig Schwierigkeiten in Worte zu fassen, was mit meiner Frau geschah, aber ich habe professionelle Unterstützung. Sie ist neben meiner neuen Freundin Loretta...
Autorin: Ihrer neuen Freundin? Und ihre Frau weiß und akzeptiert das? Ich habe gerade große Probleme, Ihnen zu folgen.
Lars: Ich weiß, wie das klingt, aber so ist das nicht. Meine Frau ist nicht mehr die Person, die ich geheiratet habe. Sie spricht nicht mehr, sie reagiert nicht mehr, sie ist auch nicht mehr in der Lage selbst zu Essen oder sich anzuziehen. Selbst die Körperpflege muss ich übernehmen. Ich betreue sie nun bereits ein knappes Jahr und es wird immer schlimmer. Ich befürchte, so langsam muss ich sie begraben.
Autorin: Begraben?
Lars: Die Hoffnung begraben, dass es je wieder normal zwischen uns wird.
Autorin: Das tut mir sehr leid.
Lars: Dass ich in dieser Situation auf Loretta traf, kann man nur als glücklichen Zufall bezeichnen. Sie ist meiner Frau ausgesprochen ähnlich. Und das nicht nur äußerlich. Sie ist ein wundervoller Mensch, fürsorglich, intelligent, warmherzig und sie steckt voller Überraschungen.
Autorin: Besonders Letzteres glaube ich gerne.
Lars: Sie müssen schon deutlicher sprechen, sonst verstehe ich die Frage nicht...
Autorin: Es war nur unwichtiges Gebrummel, das nichts zur Sache tut. Sie haben sich also mit Loretta zusammengetan, weil sie Sie an Ihre Ehefrau erinnern?
Lars: Nicht nur. Es hat sich herausgestellt, dass wir uns aus Kindertagen kennen. Sie war auch in dem furchtbaren Sommer in diesem Turmhotel und auch sie hat einen schrecklichen Verlust zu beklagen. Sie sagt, wir wären sogar eng befreundet gewesen. Während ich allerdings keine Erinnerungen mehr an meine Kindheit habe, weiß sie noch genug. Wir hoffen, dass sie meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen kann. Sie sagt, ich müsste Dinge wissen, die von unschätzbaren Wert für sie sind und so kann unsere Beziehung für uns beide ein Gewinn sein. Es ist also nicht nur etwas Körperliches, es ist eine Seelenverwandtschaft auf vielen Ebenen. Haben Sie eigentlich grüne Augen unter ihrer Sonnenbrille? Wenn ja, wäre mir das langsam wirklich zu unheimlich.
Autorin: Weiß Loretta von Ihrer Frau?
Lars: Nein, noch nicht.
Autorin: Und Ihre Frau?
Lars: Sie haben mir zugehört, oder? Langsam werde ich wütend! Machen Sie das absichtlich? Meine Frau reagiert auf gar nichts mehr, das habe ich doch vorhin gesagt.
Autorin: Sind Sie denn sicher, dass Ihre Frau nichts mehr wahrnehmen kann? Ich meine, was sagt denn der Arzt zu ihrem Zustand und was hat den Zustand hervorgerufen. Das sind alles Dinge, die der Leser wissen möchte.
Lars: Ich werde jetzt gehen, sonst passiert hier noch etwas, das ich nicht kontrollieren kann.
Autorin: Herr Roman, ich wollte Sie nicht verärgern, aber wenn Sie eine Pause wollen, vielleicht.... Oh!....Das war die Tür. Die ist jetzt wohl zu.






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