Figureninterview: Mit Professor Güldendorf vor einer Kuppelstadt
- claudia_roman

- 9. Juli 2021
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Mai 2022

Orginalbild: Delilan Van/Pixaby, Berarbeitung: Claudia Roman
Autorin: Ich freue mich, Sie zu sehen, Herr Professor Güldendorf.
Professor: Macht es Ihnen etwas aus, mir zu erklären, warum wir uns vor der Kugelstadt zu einem Interview einfinden und nicht in der Stadt selbst?
Autorin: Ich habe es so ausgelost.
Professor: Aber zuvor müssen sie sich doch überlegt haben, was auf diesen Zetteln steht, die sie in die Lostrommel werfen. Und das bedeutet doch, dass Sie sich dieses Szenario bereits im Vorfeld überlegt haben. Dieser Sinn erschließt sich mir nicht. Wie sie bereits wissen, haben wir uns schon vor einigen Monaten in der Außenwelt getroffen.
Autorin: Aber da waren wir auf der Flucht vor Zombies. Jetzt sitzen wir auf einem dieser Hügel, die aus seltsamen Gegenständen bestehen und bewundern den Ausblick auf die Stadt.
Professor: Und nebenbei warten wir auf das Signal, das uns den Zykluswechsel ankündigt und dafür sorgt, dass sich entweder aus dem Teich vor uns ein achtarmiges Schleimmonster erhebt und uns zu sich in die Tiefe zieht oder sich der Berg in Sekunden zu einer bodenlosen Schlucht verwandelt, die uns in den Abgrund stürzen lässt.
Autorin: Seien Sie doch nicht so negativ. Bevor das passiert, ist das Interview beendet.
Außerdem glaube ich nicht, dass ich zu der Gruppe Menschen gehöre, die die Monster wahrnehmen kann.
Professor: Ach, und was macht Sie da so sicher?
Autorin: Ich bin Realistin.
Professor: Sind Sie nicht! Sonst würden Sie nicht solch seltsame Welten erschaffen.
Autorin: In der Realität bin ich Realistin!
Professor: Ich brauche Sie nicht darauf hinzuweisen, dass wir uns in diesem Augenblick nicht in der Realität befinden.
Autorin: Aber hier habe ich die Kontrolle und wenn ich nicht möchte, dass in dieser Szene ein Monster auftaucht, wird hier auch kein Monster auftauchen.
Professor: Hören Sie das auch?
Autorin: Was soll ich hören?
Professor: Das Gurgeln im Gewässer unter uns.
Da fällt mir ein: Wie lautet die These, über die wir uns heute unterhalten wollen?
Autorin: Ich höre nichts.
Professor: Was ist damit denn nun schon wieder gemeint?
Autorin: Ich höre kein Gurgeln im Gewässer unter uns.
Die These für diese Woche lautet: Freiheit ist von Rechts wegen unsere Rettung.
Professor: Interessant. Dazu lässt sich ohne eine Klärung der Begriffe gar nicht so viel sagen. Was ist beispielsweise mit Freiheit gemeint? Individuelle Freiheit oder kollektive Freiheit? Freiheit zu sagen, was man will oder zu kaufen, was man will? Die Freiheit, die im disziplinierten Handeln liegt oder die Freiheit, die man sich bei der Auslebung intensiver Emotionen nimmt? Die Freiheit der Einsamkeit oder die Freiheit des Feierabends, der einen mit einem netten Absacker in geselliger Runde lockt. Hinter Ihnen ist übrigens gerade der Kopf eines Monsters aufgetaucht.
Autorin: Und unsere Rettung?
Professor: Woher soll ich das wissen? Ich denke nicht, dass wir hier sitzen bleiben und uns verspeisen lassen sollten. Was halten sie von Flucht?
Autorin: Nein, ich meine in Bezug auf die These?
Professor: Auch das dazu muss man tiefer gehen. Rettung ist doch immer auch eine Rettung von etwas. In einer Autokratie sieht eine Rettung durch die Einführung von Gesetzen (hier kommen wir zum mittleren Teil der These) mit Sicherheit anders aus, als eine gesetzliche Reglementierung, die die Freiheit vor Manipulation durch KI gesteuerte Algorithmen gewährleisten sollen. Unsere Rettung sollte aber von Rechts wegen eine Entscheidung verlangen, denn sonst war es das mit unserer Freiheit. Für immer!
Autorin: Gütiger! Worüber reden Sie die ganze Zeit?
Professor: Über das Monster, das sich jetzt zu seiner ganzen Größe aufgebaut hat und seine messerscharfen Zähne gleich in unsere Eingeweide bohren wird.
Autorin: Wo?
Professor: Na, hinter Ihnen!
Autorin: Also ich sehe da nur die Kuppelstadt.
Professor: Komisch! Gerade war es noch da.
Orginalbild: Delilan Van/Pixaby, Berarbeitung: Claudia Roman






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