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Figureninterview mit Prof. Güldendorf im Waschsalon

  • Autorenbild: claudia_roman
    claudia_roman
  • 26. Juni 2020
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 13. Mai 2022

These der Woche: Glück ist in gewisser Hinsicht völlig willkürlich.

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Bild von Ryan McGuire auf Pixabay





Autorin: Guten Tag, Prof. Güldendorf.


Prof. Güldendorf: Guten Tag. Na, wir treffen uns heute vor einer außergewöhnlichen Kulisse.


Autorin: Sagt der Mann, mit dem ich vor ein paar Wochen in der Kugelwelt vor Zombies geflohen bin. Hier stehen wir lediglich an der Eingangstür eines Waschsalons. Haben sie eine Maske mit dabei?


G: Da ist doch niemand drin!


A: Trotzdem! Es könnte jemand kommen.


G: Dann kann ich sie ja immer noch aufsetzen.


A: Hier ist aber ein Schild, dass man den Waschsalon nur mit Maske betreten soll.


G: Ach, und wenn auf einem Schild steht, dass sie sich vor die nächste Straßenbahn werfen sollen, machen sie das auch?


A: Quatsch! Was hat das eine mit dem anderen zu tun?


G: Es hat was mit der Geisteshaltung zu tun.


A: Oh, nee! Sind sie jetzt auch so ein Corona-Kritiker?


G: Ein was?


A: Jemand, der die Existenz von dem Virus infrage stellt, seine Gefährlichkeit leugnet oder zumindest die Maßnahmen übertrieben findet.


G: Weder das eine noch das andere und das Dritte auch nicht. Aber ich finde, es könnte ein anspruchsvolles Vorhaben sein, sich mit einem Virus in einem leeren Waschsalon anzustecken zu wollen. Ich halte es für legitim, den Sinn einer Vorsichtsmaßnahme in Frage zu stellen, wenn die Gefahr überschaubar ist. Außerdem prangere ich die Nutzung des Dativs in ihrer Erklärung an. Es heißt, „die Existenz des Virus“. Das sollten Sie wissen!


A: Stellen Sie den Sinn einer Vorsichtsmaßnahme auch bei einer roten Ampel in Frage?


G: Es kommt darauf an, ob ein Kind in der Nähe ist oder eine Straßenbahn heranrollt. Außerdem muss ich an einer Ampel keine Maske tragen.


A: Haben Sie jetzt eine Maske dabei oder muss ich den Waschsalon allein betreten.


G: Sie meinen das ernst, stimmt‘s?


A: Todernst!


G: Nun, denn! Was tun wir nicht alles, um uns unglücklich zu machen.


A: Wollen sie mir jetzt sagen, dass Masketragen unglücklich macht?


G: Allerdings!


A: Also das müssen Sie mir erklären!


G. Wirklich? Dieser Maskentragezwang ist auf so vielen Ebenen fragwürdig. Fangen wir mit seiner Geschichte an. Es gab zu Anfang der Pandemie keine stringente, nachvollziehbare Kommunikation. Der eine Wissenschaftler sagte das eine, der andere Wissenschaftler sagte das andere.


A: Aber...


G: Lassen Sie mich das ausführen! Ich bin selbst Wissenschaftler, ich weiß, wie das läuft. Ich weiß, dass gerade auf wenig erforschten Gebieten in einer unsicheren Umgebung am laufenden Meter Thesen aufgestellt und wieder umgeworfen werden. Ich weiß, dass auch eine Menge nachvollziehbares, politisches Kalkül eine Rolle spielte. Die Bedrohung für das Gesundheitssystem war nicht überschaubar und die Kapazitäten an Masken gering. Doch ich halte den überwiegenden Teil unserer Bevölkerung für vernünftige Leute. Unser ganzes Staatssystem baut auf einen politisch mündigen Bürger auf und gerade von der kalten Hand der Wissenschaft in diesen Dingen mehr Transparenz und Wahrhaftigkeit und weniger Gekusche vor der Politik gewünscht.


A:Naja, das ist leichter gesagt, als getan, wenn die Finanzierung deines Instituts von staatlichen Geldern abhängt.


G: Falsch und furchtbar gefährlich! Eine freie Forschung darf und muss natürlich staatliche Gelder erhalten, in weitaus größeren Umfang, als private Finanzierungen, aber der Staat hat sich in jeder Hinsicht zurückzuhalten. Er kann und muss sich von Experten beraten lassen, aber er darf kein Institut dazu zwinge....


A: Entschuldigen Sie, Herr Güldendorf, aber könnten Sie eine der Waschmaschinen öffen? Ich kann in der Zeit nochmal die Hosentaschen kontrollieren.


G: ... auf einer unsicheren Forschungslage, politische Entscheidungen zu unterstützen, die gerade ins Kalkül passen.


A: Und wo ist jetzt dort das Glück bzw. Unglück versteckt.


G: Wie ich sagte, unser Staatssystem baut auf den mündigen Bürger. Wenn er sich nicht in dieser Art gewürdigt, sich belogen und hintergangen fühlt, dann ergibt das eine Stresssituation, in der er sich übergangen und ausgeliefert fühlt. Das macht wütend und in der Wut steckt nur selten Glück.


A: Das klingt in meinen Ohren ein wenig abstrakt und weit hergeholt. Wie sie schon sagten, es war ein nachvollziehbarer Schritt und er wurde im späteren Verlauf durchaus angesprochen und kontrovers diskutiert. Wenn ich mir den Hintergrund beschaue, hatten wir eine vollkommen neuartige Situation. Wir standen vor einer Bedrohung, die kaum erklärbar und kaum vorhersehbar in allen Konsequenzen war. Viele sind in Panik geraten und wie Sie wissen, verhalten sich Menschen in Panik nicht wie mündige Bürger. Ich sehe zu dem Handeln der beratenden Institute überhaupt keine Alternative.


G: Sie sollten den Leuten mehr zutrauen. Eigentlich halte ich den Anstieg der Panik für eine Auswirkung einer verfehlten Informationspolitik.


A: Gut, dann kommen wir an diesem Punkt nicht auf einen Nenner.


G: Brauchen Sie Kleingeld?


A: Nein, ich habe vorgesorgt. Aber Sie sprachen von mehreren Ebenen?



G: Im Grunde haut auch mein zweiter Punkt in diese Kerbe. Die Forschungslage zeigt nunmehr eindeutig, dass man mit einer Verwendung eines Mund-Nasen-Schutzes die Ausbreitung der Krankheit eindämmen kann. Aber auch hier bedarf es keiner gesetzlichen Verpflichtung, sondern eine gute Aufklärung. Das ist viel effektiver und nachhaltiger.


A: Aber was ist mit den Leuten, die entweder aus Prinzip oder Uninformiertheit dagegen rebellieren. Wie soll man diese Menschen überzeugen, dass es auch auf ihr Handeln ankommt?


G: Gar nicht! Sie können keinen hundertprozentigen Schutz einfordern. Das wird nicht funktionieren, im Gegenteil. Durch den Zwang entsteht Unzufriedenheit und führt zu Widerstand und Aufbegehren. Als Antwort darauf muss die andere Seite mit noch mehr Zwang reagieren, was zu noch mehr Unzufriedenheit führt. Das ist am Ende ein ganz gefährliches Spiel.


A: Aber hier geht es doch nicht, um die Unzufriedenheit einer bockigen Minderheit, sondern um den Schutz einer vulnerablen Bevölkerungsgruppe. Und es gibt doch bei uns einen Minderheitenschutz. Ich stelle mir gerade vor, wir wären beim Rauchverbot ebenso Laissez faire gewesen. Ich glaube nicht, dass sich irgendjemand darum gekümmert hätte.


G: Das ist wahr, aber das können Sie nicht miteinander vergleichen. Im Gegensatz zum Rauchen, ist es mit keiner Abhängigkeit verbunden keine Maske zu tragen und während man sich mit Maske keinesfalls besser fühlt, besonders nicht im Sommer, hat man durch den Nikotinentzug einen nachweisbaren gesundheitlichen Nutzen.

Das was sie gerade in die Waschtrommel getan haben, waren das alles Masken?


A: Ich habe einen sehr hohen Maskenverbrauch. Ich muss diese Dinger, im Gegensatz zu Ihnen auch bei meiner Arbeit tragen. Und wissen Sie was? Ich bin nicht wesentlich unglücklicher geworden.


G: Da kommt jemand.


A: Hallo, guten Morgen...


G: Der trägt keine Maske.


A: Aber einen Wutbürgerhut!


G: Wollen Sie den nicht anblaffen, dass er eine Maske aufsetzen soll?


A: Nein!


G: Stört es Sie gar nicht?


A: Doch!


G: Und warum sind Sie jetzt bei dem nicht so dienstbeflissen wie bei mir?


A: Weil ich in dieser Hinsicht schon mal auf die Nase gefallen bin.


G: Also, mal ganz ehrlich! Das finde ich ziemlich willkürlich!







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