Figureninterview mit Lars und Fred vom Jupiter
- claudia_roman

- 21. Feb. 2020
- 4 Min. Lesezeit

Bild von Reimund Bertrams auf Pixabay
Lars: Hmmm. Wer sind denn Sie und was soll die alberne Aufmachung?
Person in alberner Aufmachung: Das ist ein Raumanzug, den muss ich tragen, denn ich kann die Luft auf eurem Planeten echt nicht gut vertragen. Ich muss davon immer aufstoßen.. Man nennt mich übrigens Fred... Was gibt es da zu lachen?
Lars: Etwa Fred vom Jupiter?
Fred: Jupiter II! Wieso?
Lars: Echt jetzt? Europa? Dieser Jupitermond mit dem Ozean unter der Oberfläche? Und was machen Sie hier?
Fred: Ich weiß es doch auch nicht. Eben saß ich noch mit meiner Frau am Rand des Aufstiegs 035-8 und sah einem romantischen Steinschlag zu um in Paarungsstimmung zu kommen und einen Augenblick später finde ich mich an einem Tisch einer überwältigend hässlichen Kreatur gegenüber. Wohl ein Exemplar der Spezies, die wir vor einigen Monaten auf einem fremden Planeten entdeckten.
Lars: Was haben Sie gegen meine Nase? Ich weiß, sie ist zu lang, aber deshalb braucht man nicht beleidigend zu werden.
Fred: Ich habe doch gar nichts über Ihre Nase gesagt.
Lars: Wo ist die Autorin?
Fred: Die Autorin? Ist sie nicht immer bei uns und leitet unsere Wege?
Lars: Ich meine Claudia. Sie hat mich zu diesem Interviewtermin eingeladen und nun ist sie nicht hier. Nur Fred vom Jupiter, der meine Nase beleidigt.
Fred: Ich habe Ihre Nase nicht beleidigt. Da liegt ein Briefumschlag auf dem Tisch. Vielleicht steht da etwas drin.
Lars: Oh, den habe ich gar nicht gesehen. Machen Sie mal auf.
Fred: Es ist besser, wenn Sie ihn öffnen. Mit dem Raumanzug ist es schwierig.
Lars:
...
Moment!
...
Da steht:
...
„Umweltschutz ist von außen betrachtet ein großes Privileg.“
Fred: Und?
Lars: Nichts „und“. Mehr steht dort nicht.
Fred: Und was hat das zu bedeuten?
Lars: Ich denke, darüber sollen wir uns austauschen.
Fred: Das Einzige, was ich von dieser These verstehe, ist: „Von außen betrachtet“. Was ist ein Umweltschutz und was ist ein großes Privileg?
Lars: Echt jetzt? Muss ich das wirklich erklären?
Fred: Wenn Sie mit mir darüber sprechen wollen, wäre das ratsam.
Lars: Ein Privileg ist ein Vorrecht. Also etwas, was ich vor allen anderen bekommen oder besitzen darf. „Groß“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass dieses Privileg einen besonderen Wert besitzt und wirklich nur einer auserkorenen Gruppe zukommt. Und Umweltschutz ist halt der Schutz der Umwelt.
Fred: „Schutz“ wie in „Protektion“?
Lars: Öh, ja.
Fred: Was für ein Quatsch!
Lars: Leider nicht. Wir Menschen verhalten uns unserer Umwelt gegenüber manchmal mehr als schändlich.
Fred: Die Umwelt muss nicht geschützt werden, sie ist einfach da. Ansonsten wird der Begriff von Existenz überflüssig, oder nicht? Wenn sich jemand über das, was ihn umgibt, als eine reflektierende Person definiert, – und das tun wir ja alle - muss er sich doch von den Dingen um ihn herum abgrenzen. Was soll da also geschützt werden? Genausogut kann man einen Verdauungsprozess schützen wollen.
Lars: Sie sehen das falsch.
Fred: Und überhaupt: Wo passt da ein wertendes Konstrukt wie ein Privileg hinein? Sie sagten ja, es sei ein Vorrecht. Was soll aber daran Sonderrecht sein, eine Umwelt zu haben? Gut, man könnte sich der Nichtexistenz gegenüber privilegiert, fühlen. Das ist zwar überflüssig, denn die Nichtexistenz fühlt sich ja nicht unterprivilegiert und wertet deshalb auch niemanden künstlich auf, aber – Wissen Sie was? Diese These macht noch weniger Sinn, wenn man versucht ihre Bedeutung zu verstehen.
Lars: Ich kenne ihre sozialen Strukturen auf ihren Heimatplaneten...
Fred: Mond!
Lars: ...auf ihrem Heimatmond ja nicht, aber bei uns ist das eher ein politischer Begriff und ich interpretiere ihn nicht ...onno...onnot...
Fred: Ontologisch
Lars: Tse! Aber nicht wissen, was ein Privileg ist! Also, mit Umweltschutz meinen wir die Erhaltung unserer Lebensgrundlage.
Fred: Verstehe ich nicht, wieso braucht man dafür ein Wort.
Lars: Weil es Menschen gibt, die sich so verhalten, als ob sie losgelöst von den Dingen seien, die sie umgeben.
Fred: Das ist Irrsinn. Warum sollte man das tun?
Lars: Geld? Spaß am Autofahren? Weil alles in der westlichen Welt so schön bequem geworden ist und wir in dem glauben aufgewachsen sind, dass die Natur alles schon wieder in die richtigen Bahnen lenkt. Es gibt so viele Gründe, wirtschaftliche, wie auch psychologische. Es würde den Rahmen sprengen das alles zu thematisieren.
Fred: Die Natur wird einen Teufel tun. Sie ist den Naturgesetzen unterworfen und die haben weder ein Wertesystem noch ein Gewissen. Das Universum ist per se lebensfeindlich. Wenn man seinen Planeten vermurkst, wird das die Weltordnung in keiner Weise beeinträchtigen. Wir haben tatsächlich da so eine Art Pivileg, dass in diesem Teil der Milchstraße Leben existieren kann. Selbstverständlich ist das nicht und das aufs Spiel zu setzen, ist ziemlich bekloppt.
Lars: Das sehe ich genauso. Das Problem ist aber wohl, dass wir nicht unmittelbar die Konsequenzen unserer Fehlhandlungen zu spüren bekommen. Wir suhlen uns auf Kosten kommender Generationen im Dreck. Es geht um nichts Geringeres als die Zukunft unserer Spezies. Das ist vielen Menschen anscheinend nicht klar. Ich kenne genug Leute, die Familien gegründet haben und es ist einfach nicht nachzuvollziehen, was die ihren Kindern vermitteln. Einige der Kinder haben es geschnallt, dass ihre Eltern ihnen einen gigantischen Scherbenhaufen hinterlassen werden und versuchen einzulenken. Aber es sind nur Kinder. Obwohl es sie direkt angeht und sie selbst auch kein Fachwissen beanspruchen. Im Gegenteil sie verweisen ständig auf die Wissenschaft. Und dennoch bekommen sie Probleme besonders von einigen Strömungen in der Politik und der Wirtschaft.
Fred: Ihr seid vielleicht witzig. Sie sprechen von Kindern, was meinen Sie damit? Doch wohl nicht etwa Ihre Brut?
Lars: Äh, wenn mit Brut unsere Nachfahren gemeint sind, dann ja.
Fred: Nachfahren? Was ist das denn?
Lars: Na, die Generationen, die nach uns kommen, wenn wir heute alle gestorben sind.
Fred: Es wird ja immer verrückter. Wer stirbt?
Lars: Na, alle!
Fred: Das ist ja furchtbar. Also, wir sterben nur im äußersten Notfall.
Lars: Für uns ist das ganz normal. Wir leben in unseren Kindern weiter. Natürlich nur im übertragenen Sinne. Ihr habt also eine andere Form der Reproduktion? Habt ihr keine Kinder, an denen ihr eure Gene weitergebt?
Fred: Doch, wir haben Kinder, aber die geben ihre Gene an uns zurück. Bei uns ist es also umgekehrt.
Lars: Jetzt verstehe ich nicht. Wie soll ich mir das denn vorstellen?
Fred: Ist doch ganz klar: Ich produziere mit meiner Partnerin eine Reihe wunderbarer Kinder und die essen wir dann auf. Klappt prima, wir sind nie zu viele und müssen auch nicht so etwas Unerfreuliches tun, wie beispielsweise sterben oder die Umwelt schützen.
Lars: Ihr macht bitte was?
Fred: Das war ja auch der Grund, warum ich mit meiner Frau beim romantischen Steinschlag war. Wir brauchten neue Kinder. Wir hatten mal wieder ein Hüngerchen.
Lars: ...
...
Claudia? Hol mich hier bitte, bitte raus!






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