Figureninterview mit Claudia im See
- claudia_roman

- 10. Juli 2020
- 3 Min. Lesezeit
These der Woche: Das Schicksal ist schon lange nicht mehr grundfalsch.

Bild von Pezibear auf Pixabay
Autorin: Hallo Claudia, sei gegrüßt, hier im See.
Claudia: Selber Hallo. Wir sind in der Tat IM See, nicht in einem Boot auf dem See oder schwimmen in seinem Wasser..
Autorin: Das ist wirklich sehr eigenartig. Der Leser des „Zuges“ wird schon eine Ahnung haben, wo wir uns befinden...
Claudia: ... demnach so gut wie niemand ...
A: ...aber da es draußen noch einige Menschen gibt, die diesen Ort nicht kennen, magst du das erklären?
C: Wir befinden uns in der Zwischenwelt. Einige Stoffe hier halten sich nicht an die Naturgesetze. Wasser zum Beispiel verhält sich zwar optisch seiner Natur entsprechend, man kann es verdrängen oder spritzen lassen, es trägt einen auch in gewisser Hinsicht, wenn man darin schwimmt. Doch es fühlt sich auf der Haut an, wie Gas und es lässt sich sogar atmen.
A: Hast du eine Ahnung, warum das so ist?
C: Hat sich wohl im Schaffensprozess entwickelt. Abgesehen davon, dass es dieser Welt eine Besonderheit zuspricht, um es von der Realität zu unterscheiden, erkenne ich dahinter keinen tieferen Zweck.
A: So ähnlich wie die Dämmerung, die nie in die Nacht tritt und den Mond, der sich nicht über den Himmel bewegt?
C: Ganz genau. Oder auch die Zwischenwelt an sich, die nur aus drei Elementen besteht: der Burg in ihrem See, dem Wald und dem Feld.
A: Der, die, das? Alles nur Kulisse?
C: Der, die, das?
A: Mir ist nur gerade aufgefallen, dass die Elemente unsere drei grammatischen Geschlechter umfassen. Zufall?
C: Wenn es dir gerade erst aufgefallen ist, dann wird es wohl Zufall sein. Aber zur Frage, ob es alles nur Kulisse ist. Ich denke, es greift zu kurz, diese Umgebung nur als ein Bühnenbild zu begreifen, auch wenn es zwischen den komplexen Welten, der Realität von Lars und Loretta und der Kugelwelt, überaus reduziert wirkt. Nach dieser Logik wäre in unsere Erfahrungswelt auch nur Kulisse, denn sie ist, wenn man sie in kosmischen Zusammenhängen begreift auch extrem reduziert. Das möchte ich bestreiten.. Wir dürfen nicht vergessen, dass hier Philipp und Cecilia nach ihrem Ableben ein neues Zuhause gefunden haben. Für sie ist die Zwischenwelt nicht mehr nur Kulisse. Sie wirken auf mich sogar glücklich.
A: Und damit können wir den Bogen zu der These Woche schwingen.
C: Die war mal wieder auf dem ersten Blick grober Unsinn, mit ihrer doppelten Verneinung.
A: Und auf den zweiten Blick?
C: Nun ja, man denkt drüber nach, ob man will oder nicht. Der Kopf will sich nicht mit Unsinn zufriedengeben. Zur Not erfindet er einfach eine Pseudowissenschaft, in der das Unbegreifliche dann passt. Interessant wird diese These auch zusammen mit diesem Zitat von dieser Freifrau. Da hatte sich bei mir ebenfalls Widerstand geregt.
A: Warum?
C: Weil ich es so verstanden habe, dass das Individuum, also die Person, der das Schicksal widerfährt, eine Wahl hat. Es hat sich für mich so angehört, als könnte sie das, was wir Schicksal nennen positiv umdeuten und sodann ein besseres Leben haben.
A: Aber das kann sie doch machen. Das nennt man positives Denken.
C: Es liegt aber in der Natur des Schicksals, dass es einem widerfährt. Es lässt sich nicht planen oder umschiffen. Sonst wäre es kein Schicksal. In seiner Wortbedeutung liegt ein Ausgeliefertsein.
A: Ich glaube aber nicht, dass sie das so gemeint hat.
C: Nein, das hat sie auch nicht! Das ist mir dann später auch aufgefallen. Es geht nicht um Schicksalsschläge, wie der plötzliche Tod eines geliebten Menschen, sondern um die Bewertung dieses Ereignisses. Diese Bewertung ist unabhängig vom Schock oder der Trauer und all ihren Nachklängen. Der Schicksalsschlag ist ein Fakt, der etwas mit unseren Gefühlen macht und somit einen sprachlichen Ausdruck verlangt, um ihn mit dem eigenen Leben in Beziehung zu setzen.
A: Keine Ahnung, ob ich das verstanden habe. Also, der Ausdruck: „Mich hat das Schicksal schwer erwischt,“ ist dann nichts weiter als ein sprachlicher Ausdruck? Aber wenn es das wäre, ließe es sich doch sehr wohl umdeuten.
C: Nein, ich glaube, es gibt keine Möglichkeit, den Tod eines geliebten Menschen positiv umzudeuten. Aber das was wir Schicksal nennen ist nicht der Tod selbst, sondern die Erfahrung von Trauer, Gram und Angst. Es ist unsere Gefühlswelt, die das Schicksal konstruiert. Und genauso wie die Empfindung von Gefühlen selbst, kann es weder falsch noch richtig sein.






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