Figureninterview Loretta in der Zwischenwelt
- claudia_roman

- 15. Mai 2020
- 4 Min. Lesezeit
These der Woche: Rassismus ist ganz objektiv ein fataler Fehler

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Autorin: Ich begrüße dich, Loretta an diesem eigenartigen Ort. Für die Leute, die das Buch noch nicht gelesen haben: Magst du kurz beschreiben, wo wir uns befinden? Loretta: Wir sitzen hier in der Abenddämmerung am Rand eines großen Burggrabens und lassen die Füße ins Wasser baumeln. Autorin: Ist es denn Wasser? Es hält sich zwar an die physischen Gesetze, ist aber an der Haut gar nicht spürbar. Loretta: Und dazu wird es nie Nacht. Hier ist die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes eingefroren. Auch Uhren funktionieren hier nicht. Trotzdem finde die Zwischenwelt alles andere als eigenartig. Jedenfalls ist es nicht so seltsam, wie im Februar auf einem stürmischen Feld zu picknicken. Autorin: Moment! Erstens war es eine Wiese und kein Feld. Zweitens war es ein recht warmer Februartag und drittens hat es erst zum Ende des Interviews gestürmt. Loretta: Diese Ausreden, machen das letzte Interview nicht weniger seltsam. Autorin: Bis jetzt findet sich ein Moment der Skurrilität in jedem meiner Interviews wieder. Aber das ist doch jetzt auch gar nicht das Thema! Loretta: Sondern? Autorin: Später, erst müssen wir erklären, was die Zwischenwelt ist. Wie sieht es dort aus, wie kommt man dahin und zwischen was liegt diese Welt eigentlich? Loretta: Was die Zwischenwelt genau ist, kannst du wahrscheinlich besser erklären. Als Kind war es ein Ort in meinem Innern, an den ich mich zurückziehen konnte, wenn es zuhause mal wieder schlimm war. Du weißt, ich hatte nicht das beste Verhältnis zu meiner Mutter. Es war dieses Mädchen, das plötzlich in meinem Kopf auftauchte und mir den weg dorthin gezeigt hat. Autorin: Dir ist klar, dass das ziemlich psychotisch klingt? Loretta: Das ist mir bewusst. Allerdings war ich damals noch ein Kind und kannte mich mit psychischer Gesundheit nicht aus. Es war für mich normal. Und es ist auch heute mehr als eine typische Geisteskrankheit. Meine Zwillingsschwester konnte an genau denselben Ort reisen. Wir konnten dort miteinander spielen und uns unterhalten. Zwar brachte sie nur Erinnerungsfetzen in die Realität zurück, aber die Übereinstimmungen waren nicht zu übersehen. Wir träumten beide denselben Traum, wenn man es so ausdrücken möchte. Autorin: Und wie habt ihr dahin gefunden? Loretta: Zunächst waren eben diese Stimmen im Kopf da. Es ist immer dieselbe Person, die zu mir spricht. In meinem Fall war es ein Mädchen, das der Stimme nach etwas älter als ich gewesen zu sein schien. Autorin: Hattest du dich damals gefragt, wer sie ist und was sie für einen Auftrag hatte? Loretta: Nö. du? Autorin: Klar, ich bin die Autorin. Loretta: Okay. Also, sie hat mir gezeigt, wie ich in die Zwischenwelt komme. Anfangs funktionierte es nur, wenn ich mich über etwas furchtbar aufgeregt hatte. Das kam ja ziemlich häufig vor. Es war, als ob das Mädchen einen Schalter umlegte und mich dadurch aus meinen Körper in diese Welt katapultiert. Zuerst wusste ich an diesem Ort nicht, wer ich war. Das änderte sich, als ich einen Gegenstand aus der Realität mitgenommen hatte. Von da an, konnte ich immer in die Zwischenwelt reisen, wann ich es wollte. Das war in zweierlei Hinsicht praktisch. Erstens flachte die Stärke meiner Emotionen mit der Zeit immer weiter ab und zweitens fing das Mädchen an, mich zu langweilen. Dazu kam, dass es meinen Körper in Besitz nahm, wenn ich in der Zwischenwelt war und damit jede Menge Unfug anstellte. Ich musste sie also loswerden. Autorin: Wie hast du das angestellt? Loretta: Sagen wir mal, ich habe sie ausgesperrt. Autorin: Und was passierte mit deinem Körper, wenn du dich in der Zwischenwelt befandest? Loretta: Woher soll ich das wissen? Wahrscheinlich wirkte ich auf die Menschen um mich herum leicht weggetreten oder verträumt. Die Zeit in der Zwischenwelt läuft ja anders bis gar nicht. Es kann dann in der Realität wirken, als sein ich stundenlang am Schlafen und in der Zwischenwelt sind gerade mal wenige Augenblicke vergangen. Genausogut, kann es aber auch umgekehrt funktionieren. Also, dass ich das Gefühl habe mich stundenlang in der Zwischenwelt aufzuhalten und in der anderen Welt habe ich nur beim Zigarettenanzünden einen kurzen Moment gezögert. Autorin: In Anbetracht der Zeit, sollten wir nun auf die These der Woche kommen und ich habe keine Ahnung, wie ich den Übergang elegant hinbekommen soll. Loretta: Wie heißt die These der Woche noch mal? Autorin: Rassismus ist ganz objektiv ein fataler Fehler. Loretta: Ich dachte, Rassismus ist mittlerweile wissenschaftlich haltlos? Autorin: Das hält aber einige Leute nicht ab, das in ihren Lebensentwurf einzubauen. bewusst oder unbewusst. Loretta: Oh, ich liebe dumme Leute! Autorin: Nein, das sind nicht alles dumme Leute. Einige Leute merken einfach nicht, wie Ausgrenzungsmechanismen auch in ihnen funktionieren und einige Leute benutzen solche Ressentiments, um ihre politischen Ziele durchzusetzen. Loretta: Ich liebe dumme Leute und Leute, die nicht merken, dass sie dumm sind und besonders Leute, die nicht merken, dass sie dumm sind und die Leute benutzen, die nicht merken, dass sie dumme sind. Hast du mal die eine oder andere Adresse? Ich würde diese Menschen gerne mal besuchen. Nur so, um mich auszutauschen und den Horizont zu erweitern. Ich hab übrigens ein niegelnagelneues Messeset... Autorin: Loretta, danke für das Gespräch.






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