Figureninterview – Ein klärendes Gespräch am runden Tisch im Oktober 2023
- claudia_roman

- 17. Okt. 2023
- 4 Min. Lesezeit

Autorin: RUHE!
Wie oft soll ich es noch sagen: Es tut mir leid, dass ich vor vierzehn Tagen nicht bei eurem klärenden Gespräch dabei war. Die fiesen Beleidigungen aber bringen uns jetzt auch nicht weiter. Und auch die anonyme Morddrohung in meinem Briefkasten ist nicht zielführend, Loretta.
Loretta: Wie kommst du auf mich?
Autorin: Ich kann es aber erklären.
Das Wesen: Hört, hört!
Was kann da jetzt wohl kommen, außer Blabla?
Dr. Harmsen: Auch ein „Blabla“ könnte sehr aufschlussreich sein.
Prof. Güldendorf: Ich bin da ganz bei Ihnen, Frau Doktor. Wie immer ein sehr kluger Einwurf.
Dr. Harmsen: Sehr schmeichelhaft, Herr Professor. Aber wie Sie wissen, es ist nur ihr wohltuender Einfluss.
Loretta: Lars! Hör auf mir ins Ohr zu flüstern! Ich weiß doch auch nicht, ob die beiden sich kennen. Meines Wissens nicht, aber das hindert niemanden daran, sich gegenseitig vollzuschleimen.
Margarethe: So! Wir können uns alle gerne weiter anschreien, aber einen wirklichen Mehrwert haben wir davon nicht und wenn ich ehrlich bin, ist mir dafür meine Zeit auch zu schade. Ich habe noch einen wichtigen Auftrag, den ich erfüllen muss.
Britta: Gut gefurzt, Löwin. Ich hab auch noch einen „Auftrag“ zu erfüllen. Einen laangen, harten Auftrag.
Loretta: Boah, Alte! Du bist so widerlich zum Glück sind keine Kinder anwesend.
Das Wesen: Das sagt die Richtige.
Jens: Wo sind denn die Kinder eigentlich?
Britta: Ja, wo sind die kleinen Scheißer?
Autorin: Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass wir die Besprechung unter mündigen Personen führen sollten.
Britta: Krass! Gang Bang oder was? Das kostet aber bei diesen Typen hier eine Stange extra!
Autorin: Und somit lasst mich dann mit der Sitzung beginnen.
Ich begrüße euch und zu aller erst: Ich muss ich mich entschuldigen!
Das Wesen: Was? Ich habe das nicht verstanden. Kannst du das wiederholen?
Autorin: Ich entschuldige mich, dass ich bei Ihrer/Eurer letzten Krisensitzung nicht dabei war.
Es machte einen schlechten Eindruck und der Eindruck wurde verstärkt, dass ich der Konfrontation aus dem Weg ginge oder Eure/Ihre Belange nicht ernst nähme.
Loretta: Wenn die jetzt noch gendert raste ich aus!
Jens: Was ist das denn?
Dr. Harmsen: Ein Konzept für eine gerechtere Sprache.
Jens: Ach so, ich dachte, das hätte was mit Biologie zu tun.
Das Wesen: Hä?
Jens: Na, GEN – dert. Es könnte ja auch was mit Genen zu tun haben.
Margarethe: Oder mit GENie.
Prof. Güldendorf: Aber das hätte nach dem aktuellen Stand der Forschung nicht ausschließlich mit Biologie zu tun. Die Wissenschaft ist sich nicht einig, inwieweit Intelligenz tatsächlich eine biologische Komponente hat. Sie scheint sie wohl zu haben, aber über das Ausmaß ist man sich uneinig.
Autorin: Können wir zum Thema zurückkehren?
Britta: Und wann geht der Gang Bang los?
Autorin: Gar nicht!
Britta: Gibt’s denn wenigstens Kekse und heiße Schokolade? Mir ist langweilig!
Autorin: Mann!
Dr. Harmsen: Eher Frau!
Loretta: Frau*in
Dr.Harmsen: Ich weiß gar nicht, warum man das Gendern immer so abwerten muss.
Jens: Das scheint ja eine extrem wichtige Sache zu sein.
Margarethe: Im Grunde nicht. Es wird nur so viel Emotion dazu gepackt. Also, wer gendert ist ganz klar einem politischen Spektrum zugeordnet. Es gibt aber auch Leute, die das Gendern ablehnen und die aus dem politischen Spektrum stammen, von dem man eigentlich annehmen sollte, dass sie gendern. Auf der anderen Seite sind besonders laute Leute, die aus politischen Gründen nicht gendern und die den Leuten, die gendern vorwerfen, es aus dem entgegengesetzten politischen Gründen zu tun. Was eigentlich quatsch ist, da ja Leute aus dem anderen Spektrum ebenfalls nicht gendern.
Dr. Harmsen: Ich muss sagen, ich gendere auch, weil ich persönlich finde, dass Sprache Realität nicht nur beschreibt, sondern auch einen Einfluss auf sie hat. Mit dem Gendern können wir nicht nur Realität präziser beschreiben, ( gerade in der Psychoanalyse ein äußerst mächtiges Werkzeug), sondern vielleicht auch einen Teil für eine gerechtere Gesellschaft beitragen.
Loretta: So ein Quark. Wenn die Mehrheit der Menschen dagegen sind, wird sich die Gesellschaft nicht zum besseren wenden, wenn man es ihnen aufzwingt. Im Gegenteil werden die Gräben dadurch tiefer und die Stellungen unversöhnlicher.
Ich persönlich finde das ja gut.
Deshalb bin ich je nachdem, mit wem ich rede, mal für und mal gegen das Gendern.
Jens: Wenn das eure einzigen Probleme sind, müsst ja in einer großartigen Welt leben.
Ich merke, dass ich bei uns auch gerne solche Debatten habe.
Lars: Wie macht ihr das denn in der Kugelwelt?
Jens: Keine Ahnung. Gar nicht? Wir reden und schreiben so, dass der Zentralcomputer nichts beanstandet. Und alle, auch die grausamsten Anweisungen, werden äußerst höflich gestellt. Wahrscheinlich genderten wir auch, wenn das mal ein Thema werden sollte.
Autorin: Ich habe im Grunde nichts dagegen, die Sprache den aktuellen Anforderungen anzugleichen. Allerdings habe ich gemerkt, dass ich doch aus einer anderen Generation habe und mir einige Dinge schwer fallen. Die Sprache, wie ich sie kenne, wird dadurch schon ästhetisch verändert und für mein Empfinden auch nicht immer zum Guten. Dazu kommt, dass wir unbedingt die Sache mit den Personalpronomen regeln müssen. Also, verwenden wir in einem geschlechtergerechten Kontext für Sätze wie: „Die Leser*in erzählt dem Erkundungsroboter ihre (oder eben seine) Geschichte“? Da sind wir noch ganz am Anfang. Wahrscheinlich wird sich die zukünftige Generation diese Fragen nicht mehr stellen, entweder, weil sie für dieses Problem eine Lösung gefunden haben oder weil wir doch wieder zur alten Form über gegangen sind.
Was sich überhaupt nicht lohnt, ist darüber zu streiten.
Britta: Und wann geht jetzt die Orgie los?
Lars: Das war noch nie Thema!
Margarethe: Was war denn das Thema noch einmal?
Autorin: Hab ich vergessen.






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